· 

Interview mit einem ehemaligen Flying Monkey

Ein Artikel aus dem Magazin „Psychology Today“ von Kaytee Gillis, Psychotherapeutin und Buchautorin des Buches „How a better understanding oft the patterns of domestic violence can help survivors navigate the legal system“.

 

Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Elena Digiovinazzo:

 

"Interview mit einem ehemaligen Flying Monkey

 

Eine Person, die ehemals einen Narzissten unwissend bei seinem narzisstischen Missbrauch an einer anderen Person unterstützt hat, erzählt, wie ihr die Augen für die Wahrheit aufgingen.

Benannt nach den gruseligen Charakteren, die der bösen Hexe aus dem Film „Der Zauberer von Oz“ gehorchen, ist ein fliegender Affe (Flying Monkey)  ein Begriff, der von Fachleuten dafür geschaffen wurde, um Menschen zu beschreiben, die sich auf die Seite eines Narzissten stellen und sich für diesen stellvertretend an dem Missbrauch seines Opfers einsetzen. Durch das Schaffen von Schmierkampagnen wird das Bedürfnis des Narzissten nach Kontrolle und nach narzisstischer Zufuhr befriedigt.

Einige Menschen werden einfach nur deshalb Flying Monkeys, weil sie den falschen Erzählungen des Narzissten glauben. Manchmal sind Flying Monkeys selbst Opfer, weil sie den Lügen des Narzissten unterliegen. In anderen Fällen sind Flying Monkeys wie Mini-Narzissten, die sich einfach nicht um den Schaden kümmern, den sie bei Anderen anrichten.

Manche Flying Monkeys beginnen im Nachhinein zu erkennen, dass sie an dem Missbrauch an einer Person beteiligt waren. Nämlich dann, wenn der Narzisst ihnen gegenüber sein wahres Gesicht enthüllt. Andere Flying Monkeys hingegen wussten von Anfang an, welches böse Spiel sie unterstützten. Aufgrund ihrer eigenen Pathologie und ihren eigenen Motiven ist es dieser Sorte von Flying Monkeys aber egal.

 

Jessica*, die sich selbst einen ehemaligen Flying Monkey nennt, hat sich für ein Interview bereit erklärt. Sie steht stellvertretend für sehr viele andere Personen, die sich aufgrund von Manipulationen unwissend an dem Missbrauch der Zielperson von einem Narzissten beteiligt haben.

 

 

Was ist in deiner Situation vorgefallen?

 

Jessica: Nun, ich war mit diesem Paar befreundet, nennen wir sie Jenny und Kevin. Ich wusste, dass sie Probleme hatten, wie die meisten Beziehungen Probleme haben, aber als die Trennung stattfand, war es wirklich schlimm. Ich habe mich dagegen geweigert, mich für eine Seite zu entscheiden, weil ich gerne mit beiden befreundet bleiben wollte und außerdem fand ich, dass ich mich auch nicht für eine Seite entscheiden sollen müsste. Bald merkte Kevin, dass ich immer noch mit Jenny redete und mit ihr abhing, woraufhin er die Freundschaft mit mir beendete. Er schickte mir nur eine kurze Nachricht, in der er mir alles Gute wünschte und löschte und blockierte mich im Anschluss auf allen sozialen Medien. Heute denke ich, dass er wahrscheinlich das Beste in seiner Situation getan hat. Aber zu dem damaligen Zeitpunkt nahm ich das als einen weiteren „Beweis“ dafür, dass er der toxische Part der Beziehung war. Ich dachte, dass er mich dazu bringen wollte, mich auf eine Seite zu stellen, denn Jenny schien es überhaupt nicht zu wollen, dass ich aufhörte, mit Kevin zu reden! Tatsächlich schien sie es zu genießen, dass ich mit ihm in Kontakt war und sie ermutigte mich, das auch weiterhin zu sein! Sie fragte mich über unsere Gespräche aus und suchte nach Details über ihn.

 


Kaytee: Wie hast du dich als Flying Monkey verhalten?

 

Jessica: Ich denke, die größte Sache, die ich getan habe, war, die Geschichten, die Jenny verbreitete, zu verstärken. Sie sagte, Kevin habe sie missbraucht und von ihr Geld gestohlen. Ich erlaubte ihr, solche Dinge über meinen Freund Kevin zu sagen, weil ich dachte, dass sie bei so etwas Ernstem nicht lügen würde. Weil ich ihr glaubte, dass Kevin sie so schlimm missbraucht hätte, drängte ich sie dazu, sich bei ihm zu rechen und beteiligte mich an ihrer Schmutzkampagne gegen ihn. Ich half ihr, falsche Namen zu erstellen, um ihn in den sozialen Medien zu finden. Ich fuhr an seinem Haus vorbei, um zu sehen, mit wem er zusammen war und meldete Jenny diese Informationen. Auch ermutigte ich sie, falsche Polizeianzeigen gegen ihn einzureichen, um seinen Ruf zu schädigen. Einmal gingen wir mit meiner Freundin zum Abendessen und sie bat diese, mit ihrem Facebook-Account nach Kevins Facebook-Account zu suchen! Sie hat die Geschichte so erzählt, dass es so aussah, als wäre sie die ungerecht behandelte Partei, sodass ich damals dachte, dass ihr Verhalten normal sei. Ich meine, wir alle suchen unsere Ex-Freunde in den sozialen Medien, oder? Ich dachte mir nichts dabei. Meine Freundin hingegen fand es gruselig. Sie konnte das Verhalten als seltsames erkennen, weil sie nicht unter ihrem Bann stand.

 

 

Kaytee: Wann hat es angefangen, dass du gemerkt hast, dass hier etwas Gefährliches vor sich geht und dass dies möglicherweise nicht nur eine normale Trennung war?

Jessica: Nun, das war das seltsame Verhalten, alle zu bitten, Kevin aufzusuchen und solche Dinge zu tun, wie an seinem Haus vorbeizufahren. Darunter eben auch, dass sie ständig darüber sprach, sich an ihm zu rechen. Nach einer Weile fingen einige von uns an, ihre Besessenheit von ihm in Frage zu stellen. Es ist normal, dass es nach einer Trennung eine Zeit der Wut und des Schmerzes gibt. Aber irgendwann beruhigt man sich wieder und lebt sein Leben weiter. Jenny hingegen schien enorm auf Rache fokussiert zu sein, mit sämtlichen Mitteln. Die Geschichten passten einfach nicht zusammen. Sie widersprach sich selbst oder sagte Dinge, von denen ich einfach wusste, dass sie keinen Sinn ergaben. Zum Beispiel sagte sie, dass Kevin sie verfolgte, aber wir alle wussten, dass sie diejenige war, die täglich herumfuhr und nach ihm suchte. Ich kannte Kevin und ich hatte den Eindruck, dass er zu einigen Dingen, die Jenny erzählte, nicht in der Lage sein konnte. Gleichzeitig beobachtete ich ihre Grausamkeit gegenüber Anderen, die wir kannten, was sie heuchlerisch erscheinen ließ. Es begann offensichtlich zu werden, dass sie vielleicht nicht ganz ehrlich war.

 

 

Kaytee: Wie bist du aus der Situation herausgekommen?

 

Jessica: Es war als ich damit begonnen habe, mich von ihr zu distanzieren. Ich habe aufgehört, Text-Nachrichten so schnell wie sonst zu beantworten und habe nicht mehr so schnell wie sonst auf Anrufe von ihr reagiert. Wenn sie mich fragte, ob wir etwas gemeinsam unternehmen wollten, sagte ich ihr ab. Irgendwann habe ich ganz damit aufgehört, ihr zu antworten. Man könnte sagen ich bin in den 0-Kontakt übergegangen. Als Jenny ihr toxisches Verhalten gegen mich richtete, bestätigte sich, was ich vermutet hatte. Als ich meine eigene Verleumdungskampagne erlebte, entwickelte ich ein besseres Verständnis dafür, was sie Kevin angetan hatte. Sie rief gemeinsame Freunde wegen mir an, rief meinen Arbeitgeber an – im Grunde tat sie all die Dinge, die sie auch Kevin antat und die ich beobachtet hatte. Niemals hätte ich geglaubt, dass sie mir das antun würde.

 

 

Kaytee: Was würdest du mit dem Wissen, welches du durch diese Geschichte bekommen hast, Zielobjekten von Narzissten raten, um Flying Monkeys abzuwehren?

 

Jessica: Die Tatsache, dass Kevin mich auf allen Wegen blockiert hatte, hat dazu geführt, dass ich keine Informationen von ihm bekommen konnte. Das hat ihn natürlich geschützt. Mit der Zeit konnte ich sehen, dass das kein tosisches Verhalten seinerseits war, sondern eine Grenze. Andere Tatsachen, die mir zeigten, dass er nicht der Giftige war, war, dass er Jenny nie schlecht machte. Wenn er über Jenny und die Situation sprach, teilte er mit, dass er Angst vor ihren Handlungen hatte. Er beleidigte sie aber nie und Rachegedanken waren auch nicht erkennbar. Ich denke, Betroffene sollten versuchen, ihr Leben weiter zu leben. In Frieden weiterzugehen ist ein Zeichen von Charakterstärke und Reife und wird wahrgenommen. Ich habe kürzlich versucht, Kevin zu erreichen aber ich erreichte ihn nicht. Ich denke, der angerichtete Schaden ist zu groß. Ich hoffe, dass andere aus meinem Fehler lernen können.

 

 

Merke:

Es wird immer Menschen geben, die sich bei einer Trennung auf eine Seite von beiden stellen. Das ist ein normal. Jedoch ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass eine Trennung zu einem Narzissten keine normale Trennung ist. Wenn eine Person die andere psychisch misshandelt, kann die Situation gefährlich werden und sogar tödlich enden. Nehmen Sie Drohungen ernst und weisen Sie jede Anfrage von jemandem ab, der den Anschein erweckt, als wolle er sich an einer anderen Person rächen.

 

*nicht der echte Name der Person"

 

Hier geht’s zum Originalartikel: https://www.psychologytoday.com/us/blog/invisible-bruises/202204/interview-former-flying-monkey

 

 

Hier geht´s zur Webseite von Kaytee Gillis: https://www.kaytlyngillislcsw.com

Kommentar schreiben

Kommentare: 0