In diesem Artikel geht es um das Thema Burnout. Es werden Anzeichen, Wege zur Genesung und mögliche positive Aspekte beleuchtet. Denn so schwer die Zeit auch ist: Im Rückblick entdecken manche Betroffene, dass sie trotz allem wichtige Erfahrungen gewonnen haben.
In der Arbeit mit Menschen aus narzisstischen Familien zeigt sich, dass Burnout ein häufiger Zustand ist. Besonders Personen, die in der Sündenbockrolle aufgewachsen sind, erleben diese Form der Erschöpfung oft. Darauf wird im weiteren Verlauf genauer eingegangen.
Eine kurze Information vorab: Im alten Diagnosesystem in Deutschland (ICD-10) war Burnout lediglich als „Ausgebranntsein“ unter den Faktoren aufgeführt, die den Gesundheitszustand beeinflussen. Es handelte sich also nicht um eine eigenständige Diagnose. Viele Ärztinnen, Ärzte und Kliniken arbeiten weiterhin mit diesem System, da die Umstellung auf das neue ICD-11-GM einige Zeit in Anspruch nimmt. In der neueren Version, dem ICD-11, wird Burnout bereits als berufsbezogenes Syndrom beschrieben – eine Zusammenfassung mehrerer Symptome, allerdings ausschließlich im Zusammenhang mit Arbeit. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass auch familiärer oder emotionaler Dauerstress vergleichbare Zustände hervorrufen kann.
Am Ende ist nicht entscheidend, was in einem Katalog steht, sondern dass Erschöpfung ernst genommen wird. Betroffene sollten sich unbedingt an ärztliche oder therapeutische Unterstützung wenden, wenn sie sich in den beschriebenen Symptomen wiedererkennen.
Anzeichen für einen BurnOut:
Es müssen nicht alle Symptome zutreffen. Nicht jeder erlebt alle. Im Folgenden werden einige mögliche Anzeichen genannt:
- Infektanfälligkeit.
- Keine Erholung trotz Ruhephasen: Selbst nach einer Woche Urlaub mit ausreichend Schlaf stellt sich keine Kraft zurück. Wo früher ein Wochenende genügte, reicht das nun nicht mehr zur Regeneration.
- Beim Burnout kann es sein, dass selbst viel Schlaf keine Erholung bringt. Das unterscheidet sich von normaler Müdigkeit.
- Das Gefühl, dass die eigene Batterie nicht einfach leer, sondern beschädigt ist: Sie lässt sich nicht mehr aufladen wie gewohnt. Maßnahmen, die sonst halfen, bringen keine Erholung mehr.
- Nackenverspannungen, Herzklopfen, Panikattacken, Schlafprobleme.
- Reizbarkeit.
- Überforderung durch Reize: Musik oder Alltagsgeräusche werden plötzlich als zu viel empfunden.
- Nervenzusammenbrüche: Aus verschiedensten Gründen kann alles schnell zu viel werden. Belastendes lässt sich nicht mehr verdrängen.
- Sinkende körperliche Leistungsfähigkeit. Weniger Kraft für alltägliche Dinge oder sportliche Aktivitäten.
Besonders sportlich aktive Menschen sollten aufmerksam sein: Wenn Sport nicht mehr hilft, die Stimmung zu verbessern, empfiehlt es sich, nach etwa 30-45 Minuten bewusst aufzuhören. Auch wenn eigentlich noch Energie vorhanden wäre, führt längeres Training nur zu weiterer Erschöpfung.
Sport bleibt dennoch ein wichtiger Faktor bei Burnout und Depression, denn er kann wie ein natürliches Antidepressivum wirken. Doch wie bei Medikamenten kann auch hier eine Überdosierung schaden. Zu viel Sport in dieser Phase setzt erneut das Stresshormon Cortisol frei, das der Körper nicht mehr ausreichend verarbeiten kann. Sinnvoller sind leichte bis moderate Einheiten von 30 – 45 Minuten.
Einige der genannten Symptome überschneiden sich mit denen einer Depression. Oft entwickelt sich ein Burnout zu einer Depression oder bildet deren Vorstufe.
Tipps zur Genesung:
- Ärztliche und therapeutische Begleitung suchen: Hausärzte, Psychotherapeutinnen oder auch eine geeignete Klinik können wichtige erste Schritte sein. Burnout entsteht oft aus langjährigen Gedankenmustern und Verhaltensweisen, die wie Unkraut an den Wurzeln bearbeitet werden müssen, damit nicht nach einigen Jahren erneut ein Burnout entsteht.
- Krankschreibung ernst nehmen: Ein unbehandelter Burnout kann schwerwiegende Folgen haben, wie z.B. eine Depression, chronische Erkrankungen oder Suchtgefahr. Gesundwerden ist in dieser Phase der wichtigste „Job“.
- Naturkontakt nutzen: Spaziergänge, Gartenarbeit oder Aufenthalte im Grünen sind in vielen Studien mit weniger Stress und besserer Erholung verbunden.
- Dehnen und sanfte Bewegungen: Sie lösen Muskelverspannungen (häufig im Nacken und in den Schultern) und verbessern die Durchblutung. Das wirkt beruhigend auf das Nervensystem.
- Massagen, Sauna oder warme Bäder: Sie aktivieren den Parasympathikus, also den Teil des Nervensystems, der für Erholung zuständig ist. Beim Burnout bleibt das Nervensystem oft im Alarmzustand hängen.
- Soziale Kontakte bewusst auswählen: Nur Menschen, die guttun. Kontakte, die Kraft entziehen, sollten vermieden werden.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung unterstützt die körperliche Erholung und kann Erschöpfung abmildern.
- Geduld und Akzeptanz entwickeln: Heilung braucht Zeit. Wer sich versucht, Fristen zu setzen („bis dann muss ich gesund sein“), baut nur zusätzlichen Druck auf. Nicht zu früh in den Job zurückkehren, sonst besteht die Gefahr eines Rückfalls. Die Dauer der Genesung hängt von der Tiefe der Erschöpfung ab.
- Schöne Aktivitäten planen: Schon ein bis zwei angenehme Unternehmungen pro Woche können helfen. Zum Beispiel Wandern, Stand-up-Paddling, Gartenarbeit oder kleine kreative Projekte. Auch soziale Kontakte sollten, soweit möglich, behutsam eingeplant werden. Ohne solche positiven Erfahrungen sinkt die Energie noch weiter.
- Kleine Schritte in schweren Phasen: Es gibt Zeiten, in denen selbst das Öffnen der Post oder das Telefonieren zu viel erscheint. Dann sind minimale Schritte wie Wasser trinken, Atemübungen, ein kurzer Spaziergang, Hinlegen oder Hilfe annehmen wertvoll.
Wichtiger Hinweis:
In tiefen Phasen eines Burnouts können Suizidgedanken auftreten. In diesem Fall sofort Unterstützung suchen.
Zum Beispiel über diese rund um die Uhr erreichbaren Nummern:
0800-1110111, 0800-1110222 oder 116123.
- Im Gottesdienst für sich beten lassen oder telefonische Gebetshotlines in Anspruch nehmen (z. B. die CBN-Gebetshotline unter der Rufnummer 040 18188800).
- Therapeutischen Alltag gestalten: Heilung braucht Struktur. Ein geregelter Tagesablauf kann den Heilungsprozess unterstützen. Wichtig: nur so viel machen, wie gerade möglich ist, und ohne Druck. Es handelt sich nicht um ein starres Muss, sondern um eine mögliche Orientierung. Jede Person hat andere Bedürfnisse. Am besten wird ein solcher Plan gemeinsam mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten an das eigene Leben angepasst. So kann der Plan zum Beispiel aussehen:
Morgens
Eine ruhige Zeit für dich: Meditation, Gebet oder Atemübungen
Danach leichte Bewegung 30-45 Min. (Spaziergang, Gymnastik, sanfte Übungen, Fitness)
Eine Stunde Projektarbeit oder eine kleine Aufgabe im Haushalt
Ab Mittags
Eine Mahlzeit in Ruhe
Danach ca. 30 Minuten hinlegen – ohne Handy oder Bildschirm!
Dann nochmal eine Stunde Projektarbeit oder leichte Arbeit im Haushalt
Dann ein kurzer Sozialkontakt
Abends
Ab ca. 20 Uhr eine feste Abendroutine: zum Beispiel ein Buch lesen, ruhige Musik hören oder ein warmes Bad nehmen
Frühzeitig ins Bett gehen.
Wichtiger Hinweise: Projektarbeit ist nur dann sinnvoll, wenn sie Freude bereitet, Energie da ist und keine zusätzliche Last ist. Sozialkontakte nur, wenn Kraft da ist. Telefonat oder Treffen. Muss nicht jeden Tag sein, lieber bewusst dosieren.
Zusatznutzen für Betroffene von narzisstischem Missbrauch:
Hilfreich können auch begleitende Bücher sein, z. B.:
- „Narzissmus in der Familie – Untersuchung eines Verbrechens“ bei narzisstischem Missbrauch in der Familie.
- „Verlorenes Ich – Ein Essay zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung“ bei narzisstischem Missbrauch in der Partnerschaft
Ursachen für Burnout bei Sündenböcken in narzisstischen Familien
Chronische Selbstwertzerstörung
Sündenböcke wachsen mit der ständigen Botschaft auf: „Mit dir stimmt etwas nicht.“
Diese Abwertung kostet täglich Energie. Betroffene versuchen ständig, gegen dieses Bild anzukämpfen durch übermäßige Anstrengung, das Streben nach Liebe, Erfolg und Zugehörigkeit. Das führt
langfristig zu Erschöpfung.
Gefühl niemals richtig oder genug zu sein
Die innere Überzeugung, nie zu genügen, verhindert Entspannung. Selbst nach großer Leistung bleibt das Gefühl, es sei nicht genug. Häufig entwickeln sich daraus Perfektionismus oder ein
Helfersyndrom. Beides überlastet die Kräfte.
Überkompensation im Erwachsenenalter
Viele ehemalige Sündenböcke wollen später beweisen, dass sie gut genug sind.
Sie übernehmen zu viel Verantwortung, arbeiten über ihre Grenzen oder verausgaben sich in Beziehungen. Dieses Übermaß kann direkt ins Ausbrennen führen.
Dysfunktionale Beziehungen
Menschen aus narzisstischen Familiensystemen geraten häufig in einseitige Beziehungen. Sie geben extrem viel und erhalten kaum etwas zurück. Statt Grenzen zu setzen, suchen sie den Fehler bei
sich und versuchen, sich noch mehr anzustrengen. Dieser Kreislauf erschöpft die Kräfte.
Kindheitstraumata und Dauerangriffe
Wer in der Kindheit emotional allein war, abgelehnt wurde oder ständigen Angriffen ausgesetzt war, entwickelt oft ein dauerhaft übererregtes Nervensystem, auch Hypervigilanz genannt.
Das bedeutet Dauerstress, vergleichbar mit einem Vollzeitjob – auch wenn im Alltag nur Teilzeit oder gar keine Erwerbsarbeit ansteht.
Wenn weiterhin Kontakt zur Herkunftsfamilie besteht, hören die Angriffe nicht auf. Druck, Schuldzuweisungen und Stress setzen sich fort, bis das Nervensystem irgendwann zusammenbricht. Das ist kein Zeichen von Schwäche. Jeder Mensch würde unter solchen Bedingungen überfordert sein.
Diese Hypervigilanz führt dazu, dass Körper und Geist kaum zur Ruhe kommen. Schlafstörungen, chronische Erschöpfung und schließlich Burnout sind mögliche Folgen.
Verluste
Ein Kontaktabbruch zur Familie kann selbst Auslöser für einen Burnout oder eine Depression sein.
Viele erleben es wie den Verlust mehrerer enger Bezugspersonen auf einmal, ähnlich wie viele Todesfälle naherstehender Personen gleichzeitig.
Fehlende emotionale Rückendeckung
Sündenböcke erleben oft Isolation und dass niemand ihnen glaubt. Diese Einsamkeit schwächt die seelische Widerstandskraft.
Viele müssen ihr Leben ohne familiäre Unterstützung bewältigen. Sie organisieren Umzüge allein, verbringen Feiertage allein und müssen finanzielle Sicherheiten selbst stemmen. Auch diese Dauerbelastung kann auf Dauer zu Erschöpfung führen.
Für was ein Erschöpfungszustand gut sein kann
Ein Burnout fühlt sich oft wie ein Zusammenbruch an. Gleichzeitig berichten viele Betroffene, dass diese Zeit im Rückblick auch wertvoll sein kann.
Eine Phase des Entlernens
Es ist eine Zeit, in der alte Muster sichtbar werden, die lange als normal galten, aber in Wahrheit geschadet haben. Schritt für Schritt können sie losgelassen werden.
Ein bewussteres Leben
Auch wenn die Heilung dauert, entsteht langfristig oft mehr Klarheit. Viele gewinnen ein Leben mit gesünderen Grenzen und mehr Achtsamkeit für die eigenen Bedürfnisse.
Das Achten auf Grenzen
Ein Burnout zwingt dazu, die eigenen Grenzen zu respektieren. Ob im Sport, in sozialen Kontakten oder in anderen Lebensbereichen.
Neue Balance
Manche stellen fest: Nach einem Burnout ist weniger Belastbarkeit da. Dafür gelingt es besser, die vorhandene Kraft gezielt und gesünder einzusetzen.
Eine besondere Zeit der Begegnungen
Viele erleben, dass in dieser Phase wichtige Gespräche, Besuche oder Begegnungen möglich werden, für die im normalen Alltag nie Zeit gewesen wäre. Es ist auch eine Zeit des Distanzierens: Von
Menschen und Situationen, die nur Energie ziehen.
Therapieprozesse
Ein Burnout kann manchmal auch dadurch ausgelöst werden, dass eine Therapie verdrängte Themen an die Oberfläche bringt. Diese Konfrontation ist anstrengend und kostet viel Kraft. Auch wenn es
sich schwer anfühlt, ist es oft ein Zeichen von Heilung: Körper und Seele arbeiten an Dingen, die lange im Verborgenen lagen
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